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Selfpublisher-Verband in schweren Turbulenzen

Der Selfpublisher-Verband e. V., der Interessenverband der deutschen Indie-Autoren, befindet sich in der schwersten Krise seiner noch jungen Geschichte. In den letzten Monaten traten zahlreiche namhafte Mitglieder im Streit aus. Am Wochenende warf nun auch der stellvertretende Vorsitzende das Handtuch, verbunden mit massiven Vorwürfen gegen den verbliebenen Vorstand.

Im Frühjahr 2015 als Vertretung für die in vielen anderen Branchen- und Berufsverbänden unerwünschten Indie-Autoren aus der Traufe gehoben, befand sich der Selfpublisher-Verband bislang auf steilem Wachstumskurs. Ende 2017 vermeldete der Verband 320 zahlende Mitglieder, was nahezu einer Verdopplung innerhalb eines Jahres entspricht. Zur Frankfurter Buchmesse 2018 waren es bereits 450 Mitglieder, zeitweise waren im Verband fast 500 Autoren organisiert.

Inhalt

Austrittswelle prominenter Autoren

Der Selfpublisher-Verband verspricht Unterstützung nach außen – so gibt es etwa gemeinsame Messeauftritte in Leipzig und Frankfurt sowie den wichtigsten deutschen Buchpreis für Self Publisher -, aber auch nach innen im Bezug auf Kooperationen und Austausch unter den Mitgliedern. Gerade in diesem essentiellen Feld im "Einzelkämpfergebiet" Self Publishing hat es in den letzten Monaten allerdings gewaltig geknirscht.

Die Liste der Namen der nach unseren Informationen innerhalb kürzester Zeit ausgetretenen Indie-Autoren liest sich wie das Who-Is-Who der deutschen E-Reading-Landschaft. Bela Bolton, Elke Becker, Poppy J. Andersson, Kirsten Wendt, Marcus Hünnebeck, Monika von Ramin (Nika Lubitsch), Dirk Trost, Mira Valentin, Phillip P. Peterson – sie alle haben dem Selfpublisher-Verband in den letzten Monaten den Rücken gekehrt. Hauptgrund soll die miserable Kommunikation zwischen dem Vorstand und den Mitgliedern gewesen sein.

Stellvertretender Vorsitzender geht im Streit

Am Wochenende verkündete nun auch der bisherige stellvertretende Vorsitzende des Selfpublisher-Verbandes, der Autor und Verleger Ruprecht Frieling, seinen Austritt. Über einen Facebook-Beitrag, womit die verbandsinternen Querelen öffentlich wurden.

Ein wesentlicher Streitpunkt war zuletzt die Positionierung des Selfpublisher-Verbands zum Börsenverein des deutschen Buchhandels . Der Branchenverband hat sich Indie-Autoren lange Zeit komplett verschlossen, versucht seit einiger Zeit allerdings ebenfalls am boomenden Segment mitzuverdienen, etwa seit dem Frühjahr mit zugeschnittenen Vermarktungs-Angeboten der hauseigenen Wirtschaftstochter MVB. Dazu Ruprecht Frieling gegenüber schreiben.net: "Die Grundfrage der jetzigen Entwicklungsstufe lautet: Wollen wir die farbenfrohe Vielfalt des Self-Publishings abbilden oder einen intellektuell befreiten Gouvernantenstadel, der sich dem Börsenverein anbiedert?". Hinzu kamen  Auseinandersetzungen dazu, wie das schnell wachsende und inzwischen beträchtliche Jahresbudget (> 400 Mitglieder x 72-96 Euro Jahresbeitrag plus zahlreiche Fördermitglieder) sinnvoll investiert wird.

Konstruktive Zusammenarbeit – mit und ohne Verband

Autorenkollektiv Qindie

Die in der Kommentarspalte zu Frielings Beitrag ausgetragenen Wortgefechte unter anderem zwischen der bisherigen Verbandsgeschäftsführerin Andrea Becker und ehemaligen namhaften Mitgliedern illustrieren, wie tief die Gräben im Verband zuletzt waren. Und wie viel Arbeit auf  den verbliebenen Vorstand zukommt, wenn er den Selfpublisher-Verband wieder in ruhige und konstruktive Fahrwasser führen will. Hinzu könnte nach der Austrittswelle professioneller Indie-Autoren ein Legitimationsproblem kommen, will der Verband tatsächlich ein gemeinsames Sprachrohr von allen verlagsunabhängigen Vollzeit-Autoren sein.

Unabhängig von Richtungsfragen wäre es auf jeden Fall zu begrüßen, wenn sich die Diskussion innerhalb des Indie-Kosmos wieder auf die Sachebene zurückbewegt. Am Ende des Tages haben die Autoren dieselben Bedürfnisse und Ziele und sollten sich dabei kollegial unterstützen, anstatt sich in persönlichen Anfeindungen untereinander aufzureiben. Ob am Ende des Tages dann noch verbandsartige Strukturen stehen, ist unerheblich. Höchst erfolgreiche Autoren-Zusammenschlüsse wie das Autorensofa, Qindie und die Lieblingsautoren sind Beweis genug, dass eine kollegiale Zusammenarbeit zum Wohl von Autoren wie Lesern auch ohne eingetragene Vereine funktionieren kann.

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