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Das gescheiterte Buchblog von Amazon

Schon seit acht Jahren betreibt Amazon ein eigenes Buchblog, weitgehend losgelöst von der eigenen Online-Plattform. Trotz hochwertiger Inhalte in großer Zahl und auf verschiedenen Kanälen fristet das Blog aber ein Schattensein und steht anscheinend kurz vor der Abschaltung. Warum eigentlich?

Auf lesen.net berichteten wir vor ein par Wochen über eine Toplist deutscher Buchblogs, die gegenwärtig etwa 800 Online-Auftritte vereint. Und selbst bei dieser unglaublichen Zahl handelt es sich offenbar nur um die Spitze des Eisberges: Dotbooks-Chefin Beate Kuckertz berichtete auf der Leipziger Buchmesse, ihr Verlag verfüge über eine kategorisierte Zusammenstellung von rund 2.000 deutschsprachigen Buchblogs.

Reichweite von Buchblogs weckt Begehrlichkeiten

In den USA dürfte die Zahl der Buchblogs ein Vielfaches betragen. Neben unzähligen nur sehr wenig gelesenen Freizeitprojekten gibt es auch professionell aufgezogene Buchblogs wie Brain Pickings, wo sich Bloggerin Maria Popova inzwischen über Zehntausende tägliche Besucher und 3,2 Millionen Facebook-Fans freuen kann. Diese Reichweite weckt natürlich Begehrlichkeiten – auch bei Amazon, die unter dem Namen omnivoracious.com (frei übersetzt: "unersättlich" bezogen aufs Lesen) schon seit 2007 einen eigenen Buchblog betreiben.

Die Themenwahl ist blogtypisch: Neben Besprechungen und Vorstellungen empfehlenswerter Bücher, unterteilt nach Genres, gibt es Branchen-News (etwa zum Tod von Terry Pratchett), Autoren-Interviews und natürlich zahlreiche Empfehlungs-Listicles für jeden Geschmack.

Viel Man-Power und hohe Qualität, …

Bildschirmfoto 2015-03-26 um 14.19.45Die Seite wird befüllt von Mitarbeitern des Amazon.com Content-Teams, hinzu kommen Gastbeiträge vor allem von Autoren. Neben Textinhalten gibt es professionell produzierte Videos. In Anbetracht dessen – und des Blog-Alters – fällt der Erfolg allerdings höchst überschaubar aus: Analyse-Diensten wie Alexa und SimilarWeb zufolge hat das Blog um die 5.000 tägliche Besucher. Für die Ansprüche von Amazon und die klare Leser-Adressierung ist das viel zu wenig.

An der grundsätzlichen Qualität der Seite und ihrer Inhalte liegt es nicht. So wurde das Angebot von der "Time" als eines der 25 besten Blogs des Jahres 2012 ausgezeichnet. Von der "Man-Power" in Form von zahlreichen festangestellten Redakteuren plus Gastartikeln prominenter Autoren können andere Buchblogger ohnehin nur träumen. Trotzdem haben viele "Amateure" eine viel größere Leserschaft als das Amazon-Blog mit seinen professionellen Strukturen.

… aber weder authentisch noch viral

Ein wesentlicher Grund dürfte die fehlende Authentizität sein. Prominente Buchblogger sind – ähnlich Youtube-Stars – längst zu ihrer eigenen Marke geworden. Man liest ihre Rezensionen nicht nur aufgrund der inhaltlichen Qualität, sondern weil man am Blogger selbst und seiner Meinung interessiert ist. Dem hat Amazon mit seinem austauschbaren Content-Team wenig entgegenzusetzen. Anders als die höchst beliebten Books-Sektionen der Huffington Post und von Buzzfeed fehlen den Amazon-Bloggern außerdem wirklich virale Inhalte. Das mag auch an arbeitgeberbedingten Einschränkungen liegen: Bildergalerien zu besonders hübschen Buchhandlungen und ähnliches wird man auch in ausgelagerten redaktionellen Angeboten des Online-Händlers wohl niemals finden.

Experiment Buchblog scheint auszulaufen

In den letzten Jahren hat Amazon die Ausrichtung seines Buchblogs nach und nach verändert. Handelte es sich bei Omnivoracious anfänglich um ein komplett vom Online Store losgelöstes Angebot, gibt es inzwischen zahlreiche Querverweise und direkte Links zu Amazon.com. Unabhängige Twitter- und Facebook-Seiten wurden abgeschaltet, statt dessen wird auf Amazon Books verlinkt. Selbst Name und Domain scheinen ein Auslaufmodell: Omnivoracious kommt nur noch als Dachzeile und URL vor, das Blog heißt jetzt "The Amazon Book Review". Offenbar tickt die Uhr für das Projekt, das die Erwartungen von Amazon nie erfüllen konnte.

Auch deutsches Kindle-Blog wenig erfolgreich

Bildschirmfoto 2015-03-26 um 14.10.54Auch Amazon Deutschland versucht sich übrigens an einem Buchblog. Die Kindle Post hat im Vergleich noch wesentlich mehr Corporate-PR-Charakter, davon zeugen schon der Name und eine extrem unpersönlichere Ansprache (Artikel kommen wahlweise von "Editor" oder "Kindle-Redaktion"). Inhaltlich gibt es vor allem Hinweise auf Preisaktionen, daneben aber auch Interviews mit Indie-Autoren (und solchen von den Amazon-Verlagen), Veranstaltungshinweise und ähnliches. Analog zu Omnivoracious ist auch hier der Erfolg höchst überschaubar, kaum mehr als 100 Lesefreunde täglich verirren sich laut Analyse-Diensten auf die Seite.

<Bildnachweis: Buchblogger von Shutterstock>

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