Novelle: Definition, 15 Merkmale & 5 Tipps zur Analyse
Die Novelle ist eine kurze Erzählung mit einer ungeschönten Darstellungsweise und realistischen Thematiken. Wir verraten dir in einer Definition genau, was eine Novelle ist und haben ihre wichtigsten Merkmale, ihren Aufbau und fünf wichtige Tipps zur Analyse.
Die Novelle wird aufgrund ihrer Kürze und Interpretierbarkeit häufig und gerne für Analysen in der Schule oder Universität genutzt wird. Sie bewegt sich meist zwischen einem Skandalbericht und einer psychologisierten Gesellschaftskritik.
Definition: Was eine Novelle ist
Eine Novelle ist eine kürzere bis mittlere Erzählung in Prosaform aus dem Bereich der Epik. Sie ist kürzer als ein Roman und länger als eine Kurzgeschichte, lässt sich aber theoretisch in einem Zug lesen.
Die Erzählung befasst sich mit Problemen und Missständen in einem realistischen Rahmen, muss aber nicht immer real sein. Sie konzentriert sich darauf, die Wahrheit zu kanalisieren und zu überspitzen, die in der Wirklichkeit steckt.
Aufbau der Novelle
Von ihrem Aufbau ähnelt die Novelle einem Drama, abgesehen davon, dass die Einleitung meist knapper gehalten wird. Der Aufbau besteht also aus:
- Exposition (Darlegung der Situation)
- Steigerung
- Höhepunkt (Peripetie)
- Retardierendes Moment (Hinauszögerung)
- Katastrophe oder Auflösung des Konflikts
Hier findest du alles zum Drama und dem dramatischen Aufbau einer Erzählung.
Der Begriff
Der Begriff "Novelle” bedeutet so viel wie "Neuigkeit” und kommt vom lateinischen "novus” für "neu”. Im Gegensatz zur deutschen Bezeichnung dieser Gattung meinen das Englische "novel” und das Spanische "novela” allerdings den Roman und nicht die Novelle.
Das kann in der Schule fächerübergreifend schon einmal Verwechslungen verursachen. Der spanische Begriff für unsere Novelle ist "novela corta”, der englische Begriff "Novella” oder "Novelette”.
Hier erfährst du, was ein Roman ist und wie du ihn analysieren kannst.
Der Realismus als Höhepunkt der Novelle
Die Epoche des Realismus ist eine wichtige literarische Strömung zwischen 1848 und 1890, die von objektiven Beobachtungen und möglichst originalgetreuen Abbildungen geprägt ist. Sachlichkeit und Wirklichkeit stehen hier also meist im Vordergrund.
Es soll im Gegensatz zu vorherigen Epochen nichts mehr beschönigt oder idealisiert werden, sondern die innere Wahrheit anschaulich und überhöht dargestellt werden.
Im Kontrast zum Naturalismus zielt die realistische Weltsicht nicht darauf ab, negative Aspekte hervorzuheben, sondern eine neue Dimension des Wesentlichen im Leben zu schaffen. Eine klare und schlichte Sprache ist zu dieser Zeit in der Literatur gang und gäbe.
Auch wenn der Realismus von Sachlichkeit geprägt ist, schließt er mystische oder übernatürliche Phänomene nicht aus, solange sie nur scheinbar unerklärlich sind und nicht als ‘wahr’ präsentiert werden.
Ein Beispiel ist Theodor Storms Novelle "Am Kamin” (1862), in der ein alter Herr Gespenstergeschichten zum Besten gibt – dies allerdings in einem durchaus realistischen Erzählrahmen; im Kreise seiner Familie, die mit ihm am Kaminfeuer sitzt.
Als Höhepunkt der Novelle gibt es in der Epoche des Realismus noch weitere bekannte Autoren, die diese Gattung geprägt und gefestigt haben – zum Beispiel: Theodor Fontane, Gottfried Keller, Conrad Ferdinand Meyer und Eduard Mörike. Weitere wichtige Novellen-Autoren findest du in unserer Liste.
Hier erfährst du alles Wissenswerte über die Epoche des Realismus.
Merkmale einer Novelle
Eine Novelle klar zu definieren, ist nur recht detailliert möglich, da sie viele Eigenschaften anderer Gattungen aufweist. Dennoch helfen dir die Merkmale in ihrer Gesamtheit, die Novelle eindeutig einzuordnen.
Am besten liest du dir die Merkmale durch, bevor du den dir vorliegenden Text bestimmen willst. Im Deutschunterricht und auch in entsprechenden Studiengängen der Universität geht es meist darum, zu argumentieren, warum der Text dieser bestimmten Gattung angehört.
Markiere dir also wichtige Stellen und Beispiele im Text, die beweisen, dass es sich eindeutig um eine Novelle handelt.
- Die Einleitung in das Geschehen ist sehr kurz.
- Aufgrund der Kürze gibt es meist nur wenige handelnde Personen.
- Die Charaktere sind oft eindimensional und entwickeln sich nicht.
- Der Fokus liegt meist auf einem Skandal oder einem anderen besonderen Ereignis.
- Der Inhalt der Geschichte ist neu oder berichtenswert und entspricht nicht dem gewöhnlichen Alltag.
- Oft geht es um das Schicksal, Krisen oder die menschliche Psyche.
- Die Handlung ist glaubhaft und spielt in der wirklichen Welt.
- Es gibt einen klaren Aufbau (oft ähnlich wie beim Drama).
- Meist gibt es einen einschneidenden Wendepunkt innerhalb der Geschichte.
- Es wird nicht chronologisch erzählt, Zeit und Raum werden alogisch angeordnet.
- In der Regel gibt es immer wiederkehrende Bilder, Symbole oder Leitmotive, die sich durch die gesamte Handlung ziehen.
- Der Erzähler greift nur selten in das Geschehen ein, wodurch nur wenige Hintergrundinformationen zu den Personen bekannt sind.
- Häufig ist die Haupterzählung in eine Rahmenerzählung eingebettet.
- Das Ende der Novelle schreibt der gesamten Geschichte rückwirkend oft eine neue Bedeutung zu.
- Das Ende ist in der Regel geschlossen. Es muss aber nicht offenbart werden, was aus dem Protagonisten geworden ist.
Aufbau einer Novellenanalyse
Vielleicht kennst du den klassischen Aufbau einer Analyse schon von Sachtextanalysen oder Gedichtanalysen. Wir haben den Aufbau im Folgenden für dich auf die Novelle bezogen und in jedem Schritt zusammengefasst, was zu tun ist.
So wird es dir leichter fallen, die besonderen Merkmale der Novelle besser in den Vordergrund zu stellen. Im nächsten Kapitel findest du zusätzliche Tipps, die dir bei der Analyse helfen können.
Vorbereitung
Eine gute Vorbereitung auf die Analyse bedeutet erstens, dich mit wichtigen sprachlichen Stilmitteln vertraut zu machen. Zweitens solltest du die Novelle langsam und gründlich lesen und während des Lesens bereits wichtige Stellen markieren.
Schreibe wenn möglich vielleicht sogar kurze Zusammenfassungen an den Rand. So behältst du den Überblick und findest Stellen, die dir bei der Analyse plötzlich einfallen, schnell wieder.
Versuche, die durcheinander gebrachte Chronologie der Novelle für dich im Kopf wieder herzustellen, damit die Erzählung für dich flüssiger nachvollziehbar ist.
Verwende außerdem verschiedene Farben zum Markieren des Textes; zum Beispiel Gelb für wichtige Handlungsstränge, Rot für Symbole und Leitmotive und Blau für auffällige sprachliche Mittel.
Einleitung
In der Einleitung solltest du alle wesentlichen Informationen über die Novelle nennen. Dazu gehören der Autor, der Titel, das Erscheinungsjahr, der Erscheinungsort und die Textsorte.
Wenn du es für wichtig hältst, kannst du auch bereits in der Einleitung die Epoche nennen und einen kurzen Vorgeschmack auf den Inhalt geben. Insgesamt sollte die Einleitung allerdings nur ein bis zwei Sätze umfassen.
Hier haben wir alles Wissenswerte und wichtige Tipps für eine gelungene Einleitung.
Hauptteil
Der Hauptteil deiner Analyse sollte einer oder mehreren Thesen folgen. Diese formulierst du am besten direkt zu Beginn und nutzt sie als roten Faden. Diese These kann sich entweder auf die Autor-Intention beziehen, auf eine bestimmte Motivik oder eine Erzähltechnik.
Je nachdem wie umfangreich die Analyse sein soll, kannst du entweder einen bestimmten Aspekt auswählen oder alle Aspekte berücksichtigen. Wichtig ist, dass die Lesenden deiner Analyse von Anfang an wissen, was sie erwartet.
Interpretiere hinsichtlich deiner These alles, was dir auffällt. Gemeint sind Textaufbau, Erzählweise, Sprache und Stilmittel. Auch eine bestimmte Figurencharakterisierung und Verwendung von Stereotypen kann gut gedeutet werden.
- Gibt es wichtige Orte, Symbole oder ein festes Leitmotiv?
- In welchem Kontext erscheint es und was hat es zu bedeuten?
Belege deine Äußerungen mit Beispielen aus dem Text. Stelle Vergleiche auf ("vgl. S. X, Z. Y”) und nutze Zitate ("S. X, Z. Y"). In der Regel werden diese Angaben immer abgekürzt: "S.” steht für "Seite” und "Z.” für "Zeile”, "vgl.” für "vergleiche”.
Bei wörtlichen Zitaten wird das "vgl.” einfach weggelassen. Achte darauf, nicht zu viele Zitate einzubauen und halte dich an die gängigen Zitierregeln.
Erfahre hier, was eine Hypothese ist und welche Arten es gibt.
Schluss
Ähnlich wie bei einer Fabel oder Parabel, verweist die Novelle auf die Wirklichkeit. Sie präsentiert der Leserin oder dem Leser eine Geschichte, die er oder sie auf das eigene Leben und seine Umwelt beziehen kann.
Meist wird in einer Novelle ein gesellschaftliches Problem thematisiert, das moralisch hinterfragt wird. Im Gegensatz zu Fabeln ist diese Moral aber in der Regel nicht ausformuliert.
Eine Novelle ist meist eine fiktive Erzählung, die die Gesellschaft in der Wirklichkeit nachahmt (Mimesis), um realistisch zu wirken. Am Schluss der Analyse ist es also deine Aufgabe, die gesamte Erzählung noch einmal zu reflektieren und auf die Gesellschaft in der wirklichen Welt zu beziehen.
Beantworte dazu diese Fragen:
- Welche Moral geht aus der Novelle hervor?
- Inwiefern spiegelt sie tatsächliche Zustände in der Gesellschaft wieder?
- Zeigt sie eine Wahrheit der jeweiligen Epoche oder lässt sich diese Moral auch noch auf die heutige Zeit beziehen?
Tipps zur Analyse einer Novelle
Beim Schreiben einer Analyse gibt es viel zu beachten. Abgesehen davon, dass du beim Schreiben konzentriert bleiben musst und den Fokus nicht verlieren darfst, musst du auch auf deinen Schreibstil achten und deine Argumentation klar strukturieren.
Außerdem braucht es für die Interpretation Mut zum abstrakten Denken und Kreativität. Wir haben wichtige Tipps für dich, die dir bei deiner Novellenanalyse helfen.
Schreibe für einen fiktiven Leser
Verbessere deinen Schreibstil, indem du dir einen fiktiven Leser vorstellst. Bei einer Analyse geht es nicht immer darum, alles möglichst kompliziert auszudrücken.
Vor allem sollten deine Schritte und deine Argumentation für den oder die Lesende einleuchtend sein, denn theoretisch möchtest du ihn oder sie ja von deiner Ansicht überzeugen. Sorge also dafür, dass das Fachvokabular immer in einem verständlichen Kontext steht und du anschließend beispielhaft umschreibst, was du damit meinst.
Deinen Schreibstil auf diese Art zu verbessern, ist auch nützlich, wenn du später studieren willst und wissenschaftliche Arbeiten verfassen musst. Ob als Hausarbeit, Bachelorarbeit oder Masterarbeit – früher oder später kommt diese Aufgabe auf dich zu.
Diese Arbeiten sind nichts anderes als lange und ausführliche Analysen, die andere Forschungsergebnisse mit einbeziehen. Wenn du dich in der Schule bereits daran übst, hast du auch als Student gute Chancen auf eine tolle Note.
Stütze deine Argumentation mit rhetorischen Mitteln
Eine Novelle beschränkt sich nicht auf typische rhetorische Mittel. Das einzige wirklich hervorstechende Stilmittel ist eine besondere Symbolik oder ein Leitmotiv. Ansonsten können sämtliche Mittel eingesetzt werden, um der Sprache Ausdruck und Tiefgang zu verleihen.
Du solltest rhetorische Mittel immer als Stütze und Beispiele aus dem Text und als Beweis in deiner Analyse heranführen, um deiner Argumentation Nachdruck zu verleihen.
Verweise zum Beispiel mit "vgl. Seite X, Zeile Y” auf ausgewählte Textstellen, damit dein Lehrer oder Dozent nachvollziehen kann, wo du deine Beweise und Beispiele im Text gefunden hast.
Eine andere Möglichkeit ist, direkte Zitate einzubauen. Hiermit solltest du es allerdings nicht übertreiben, da deine Analyse sonst ‘zusammengewürfelt’ wirkt und nicht mehr wie deine Eigenleistung.
Es kann eine große Hilfe sein, dir eine Liste mit bekannten und beliebten rhetorischen Mitteln anzuschauen, bevor du die Novelle liest.
Eine Liste mit rhetorischen Mitteln und ihrer Bedeutung findest du hier.
Analysiere Symbole und Leitmotive der Novelle
Ein Symbol kann in der Literatur für sich selbst stehen oder auf etwas anderes verweisen. Wenn in einer Novelle zum Beispiel immer wieder Kreuze auftauchen, kannst du davon ausgehen, dass sie auf den christlichen Glauben verweisen.
Ein solches Symbol könntest du zum Beispiel zur Charakterisierung einer Figur nutzen: Anstatt zu sagen "Er war sehr religiös und betete so lange, bis er einschlief.”, könnte man auch sagen "Er schlief jeden Abend mit einem Kreuz in seiner Hand ein.”
Ein Leitmotiv ist ein immer wiederkehrendes Motiv innerhalb einer Erzählung. Das kann entweder immer wieder der gleiche Wortlaut sein ("textliches Leitmotiv”) oder eine Situation, die immer wieder aufgegriffen wird ("situationelles Leitmotiv”).
So können sowohl Orte als auch Farben, Aussprüche, Begegnungen, Gegenstände oder Symbole als Leitmotive eingesetzt werden. Diese lassen sich dann entweder mithilfe eines Motivlexikons deuten oder selbst mithilfe von Vorwissen interpretieren.
Meist dienen Leitmotive einer bestimmten Gliederung, einer besonderen Repräsentation der Handlung oder der Entwicklung einer Figur. Sie folgen immer einer bestimmten Intention.
Nutze Merkmale der Epoche zur Interpretation
Zu einer Analyse gehört es immer, die jeweilige Epoche des Werks zu benennen. Oft wird dabei allerdings vergessen, dass jede Epoche bestimmte Eigenschaften und Strömungen hatte, die in deine Interpretation mit einfließen können.
- Wie sah die Wirtschaftslage zu der Zeit des Werks aus?
- Wie war die gesellschaftliche Grundstimmung?
- Gab es Krieg?
- Kennst du vielleicht andere Autoren dieser Zeit, anhand derer du Literatur dieser Epoche für dich greifbarer machen kannst?
Die Novelle hatte ihre Hochphase beispielsweise im Realismus und hat aufgrund dessen einige der prägnanten Eigenschaften als Gattung beibehalten. Stelle diese Eigenschaften in der Analyse heraus und gewinne so eine neue Interpretationsplattform für deine These.
Reflektiere die Quintessenz der Novelle
Ein besonderes Merkmal einer Novelle ist – wie wir im Kapitel zum Analyse-Aufbau bereits erwähnt haben – die unausgesprochene Moral.
Die Novelle thematisiert fast immer ein gesellschaftskritisches oder psychologisches Phänomen, das innerhalb des Textes aber nicht vom Autor kommentiert wird. Eine Quintessenz hinter der Erzählung zu sehen und diese auf sein eigenes Leben anzuwenden, bleibt dem Leser überlassen.
Allerdings ist die Moralisierung eines Textes die wichtigste Autorintention und somit ein unerlässliches Element deiner Analyse. Es gilt aber nicht nur, die Moral des Textes zu erkennen, sondern auch sein Ende rückblickend auf die gesamte Erzählung zu betrachten.
Warum hat der Autor genau dieses Ende gewählt und was möchte er dem Leser damit mitteilen? Versuche genau diese Frage zum Schluss deiner Analyse zu beantworten.
Liste: Beispiele für bekannte Novellen
Im Folgenden findest du 22 Beispiele für bekannte Novellen von namhaften Autoren. Sie umfassen grob zwei Jahrhunderte und sorgen für einen guten Überblick.
Nutze sie beispielsweise um deine Analysefähigkeiten zu verbessern, um für Klausuren zu üben oder lies sie einfach, wenn du das Genre interessant findest.
Mit der Zeit wirst du lernen, eine Novelle schnell zu erkennen. Je öfter du übst, umso routinierter und schneller wird dir eine Analyse gelingen. Das Schreiben kannst du mit diesen Übungen einfach verbessern.
Novellen vor 1848
- Heinrich von Kleist:
Das Erdbeben in Chili (1807)
Michael Kohlhaas (1810) - Joseph von Eichendorff:
Das Marmorbild (1818) - Johann Wolfgang von Goethe:
Novelle (1828) - Jeremias Gotthelf:
Die schwarze Spinne (1842)
Novellen im Realismus (1848–1890)
- Theodor Storm:
Immensee (1849)
Aquis Submersus (1877)
Der Schimmelreiter (1888) - Theodor Fontane:
Unterm Birnbaum (1885) - Gottfried Keller:
Romeo und Julia auf dem Dorfe (1856)
Kleider machen Leute (1874) - Conrad Ferdinand Meyer:
Das Amulett (1873)
Der Schluss von Kanzel (1878)
Der Heilige (1879) - Eduard Mörike:
Mozart auf der Reise nach Prag (1856)
Novellen nach 1890
- Arthur Schnitzler:
Leutnant Gustl (1900)
Traumnovelle (1925) - Thomas Mann:
Der Tod in Venedig (1911)
Mario und der Zauberer (1930) - Günter Grass:
Katz und Maus (1961)
Im Krebsgang (2002) - Patrick Süskind:
Die Taube (1987)